Mehr Ballaststoffe bitte!

Christina Ehrhardt • 11. März 2019

Warum sich Vollkorn und Gemüse wirklich lohnt...

Weiße Brötchen, Baguette und Pasta – wem schmecken sie nicht besonders gut. Leider haben Weißmehlprodukte aber einen entscheidenen Nachteil: sie enthalten keinerlei Ballaststoffe, weil diese nur in den Randschichten des Getreides zu finden sind und beim Ausmahlen verloren gehen. Doch warum sind Ballaststoffe eigentlich so wichtig?

Anders als der Name es andeutet, sind sie absolut kein Ballast für unseren Körper. Im Gegenteil! Die unverdaulichen Pflanzenfasern leisten einen wertvollen Betrag für unsere Darmgesundheit. Und sie können noch mehr. Eine neue Meta-Analyse* von 243 Studien der letzten 40 Jahre bestätigt nun, dass eine höhere Ballaststoffzufuhr das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ 2 Diabetes und Dickdarmkrebs zwischen 15 und 30% senken kann. Auch das Sterberisiko scheint sich im Vergleich zu Personen, die nur wenig Ballaststoffe essen, in ähnlichem Maße zu reduzieren. Entsprechend der überwältigenden Ergebnisse empfehlen die Wissenschaftler, mindestens 25-29 g Ballaststoffe pro Tag zu verzehren. Dabei gilt, je mehr Ballaststoffe, desto stärker der Effekt (Quelle: Reynolds A et al. Lancet 2019; 393(10170):P434-445). Der Realitätscheck zeigt jedoch, dass die Mehrheit von uns diese Menge häufig nicht erreicht.

*Eine Meta-Analyse ist eine Übersichtsarbeit, in der die Ergebnisse verschiedener Studien eines Forschungsgebietes zusammengefasst und bewertet werden.

Wie schaffen wir es also, unsere Ballaststoffzufuhr zu erhöhen?

Ballaststoffe sind in Obst, Gemüse, Getreide oder Hülsenfrüchten enthalten. Wenn Ihr z.B. mit einem Haferflocken-Beeren-Müsli in den Tag startet, seid Ihr schonmal auf einem guten Weg. Tauscht nun noch das Toast gegen ein Leinsamenbrot, verwendet statt weißer Nudeln immer mal wieder die Vollkornvariante und nehmt Euch täglich einen Apfel mit zur Arbeit. Dann habt Ihr es eigentlich fast schon geschafft. Hier einmal ein Beispiel, wie 30 g Ballaststoffe (das ist übrigens auch die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung) möglich sind:


3 Scheiben Vollkornbrot (12g Ballaststoffe), 3 Kartoffeln (3,5g Ballaststoffe), 1 ungeschälter Apfel (3g Ballaststoffe), 1 Kiwi (4g Ballaststoffe), 50g Früchtemüsli (5g Ballaststoffe), 1 Portion Brokkoli à 150g (4,5g Ballaststoffe).

Ballaststoffsieger sind übrigens Weizenkleie (45g pro 100g) und Leinsamen (39g pro 100g). Allerdings solltet Ihr davon nicht zu große Mengen auf einmal essen, sondern lieber kleinere Mengen ins Müsli oder den Joghurt einrühren. Gerade, wenn Ihr Euch bisher eher ballaststoffarm ernährt habt, solltet Ihr die Zufuhr nur langsam erhöhen, so dass sich der Körper Schritt für Schritt an die Pflanzenfasern gewöhnen kann. Wer es zu schnell übertreibt, riskiert Blähungen, Bauchschmerzen oder ein Völlegefühl. Achtet auch auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, denn nur so können die Ballaststoffe gut quellen und ihre Wirkungen entfalten.

Wenn Ihr noch mehr über Ballaststoffe wissen wollt, hier ein paar Fakten, um Euren Wissensdurst zu stillen...

Was sind Ballaststoffe?

Ballaststoffe oder Nahrungsfasern sind unverdauliche Nahrungsbestandteile aus pflanzlichen Lebensmitteln. Dazu zählen vorwiegend unverdauliche Kohlenhydrate (z.B. Pektin aus Äpfeln), Lignin, nicht verdauliche Oligosaccharide (z.B. Inulin), Oligosaccharide der Raffinosefamilie und die resistente Stärke. In der Pflanze übernehmen Ballaststoffe als Bestandteil von Zellwänden strukturelle Aufgaben und dienen dienen als Schleimstoffe z.B. dem Wundschutz.

Chemisch bestehen Ballaststoffe überwiegend aus den Monosacchariden (Einfachzuckern) Glukose, Fruktose, Arabinose und Ribose sowie aus verschiedenen Abkömmlingen der Monosaccharide, die aufgrund spezieller Bindungen resistent gegenüber Verdauungsenzymen (also unverdaulich) sind.

Entsprechend ihrer Wasserlöslichkeit werden sie in wasserlösliche und wasserunlösliche Ballaststoffe eingeteilt. Wasserunlösliche Ballaststoffe haben eine deutlich höhere Quellfähigkeit, d.h. sie können mehr Wasser binden als wasserlösliche Ballaststoffe. Wasserlösliche Ballaststoffe hingegen werden im Dickdarm stärker bakteriell abgebaut (fermentiert).

Wie wirken Ballaststoffe?

Wirkungen von Ballaststoffen im Organismus sind vielfältig . Aufgrund ihrer Fähigkeit Wasser zu binden, erhöhen sie in erster Linie das Volumen und die Viskosität (Zähflüssigkeit) des Speisebreis. Diese "Verdickung" des Mageninhaltes sorgt für ein längeres Sättigungsgefühl und lässt den Blutzuckerspiegel nach dem Essen langsamer ansteigen. Die Bindung von Wasser führt außerdem zu Die einer Verbesserung der Stuhlkonsistenz . Der Speisebrei wird gleitfähiger und weicher, wodurch er die Darmpassage schneller passieren kann. Verstopfungen können verhindert werden.

Im Dickdarm werden vor allem die wasserlöslichen Ballaststoffe durch die Bakterienflora fermentiert. Dabei entstehen, neben Gasen, vor allem kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat (Buttersäure), die förderlich für die Darmgesundheit sind. Butyrat dient der Dickdarmschleimhaut z.B. als Energielieferant. Ein Mangel kann mit einer Verringerung der Barrierefunktion der Darmschleimhaut einhergehen und so den Übertritt von Bakterien oder Giftstoffen in die Blut- und Lymphbahn begünstigen. Es wird außerdem vermutet, dass eine unzureichende Produktion kurzkettiger Fettsäuren die Anfälligkeit der Dickdarmschleimhaut gegenüber Schädigungen erhöht, was letztlich die Entstehung von Dickdarmkrebs fördern kann.

Ballaststoffe halten aber nicht nur den Darm in Schwung, sie haben auch eine „entgiftende“ Wirkung , da sie Ammoniak, das z.B. bei einer fleisch- und eiweißreichen Ernährung entsteht, binden und dessen Ausscheidung über den Stuhl erhöhen. So entlasten sie die Leber und Nieren.

Neben Ammoniak binden Ballaststoffe auch Cholesterin und Gallensäuren und haben so einen günstigen Einfluss auf den Cholesterinspiegel. Untersuchungen haben in der Tat gezeigt, dass pro g Ballaststoff das "schlechte" LDL-Cholesterin um rund 1,8 mg/dl gesenkt werden kann (Brown 1999).Neben dem Effekt der Gesamtzufuhr, gibt es auch Nachweise für die Wirksamkeit einzelner Ballaststoffe wie Beta-Glucane, Pektin, Glucomannan oder Guarkernmehl. Für diese Substanzen hat die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auch gesundheitsbezogene Angaben, sogenannte Health Claims, zugelassen. Die Effektstärke variiert je nach Produkt und eingesetzter Dosis. Für Gersten Beta-Glucane z.B. wurde bei einer mittleren Dosis von 6.5 und 6.9 g/Tag eine Reduktion des Gesamt- und LDL-Cholesterins von durchschnittlich 12 bzw. 10 mg/dl berichtet (Ho 2016).

Auch dem Blutdruck scheint ein erhöhter Verzehr von Ballaststoffen und Vollkornprodukten zugute zu kommen. Worauf dieser Effekt im Detail zurückzuführen ist, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt.

Wo sind Ballaststoffe drin? Ein paar Beispiele

Quellen:

Brown L et al. Cholesterol-lowering effects of dietary fiber: a meta-analysis. Am J Clin Nutr 1999; 69: 30-42

DGE: Evidenzbasierte Leitlinie: Kohlenhydratzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten 2011. https://www.dge.de/wissenschaft/leitlinien/leitlinie-kohlenhydrate/ ; 26.07.2018

EFSA 2012:Verordnung (EU) Nr 432/2012. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32012R0432&from=EN

Ho HV et al. A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials of the effect of barley β-glucan on LDL-C, non-HDL-C and apoB for cardiovascular disease risk reduction. Eur J Clin Nutr. 2016 Nov;70(11):1239-1245

Kelly SAM, et al. Wholegrain cereals for coronary heart disease. Cochrane Dtabase of Systematic review 2007, Issue 2. Art. No.: CD005051

Mente A et al. A systematic review of the evidence supporting a causal link between dietary factors and coronary heart disease. Arch Intern Med 2009; 169: 659-69

Murphy N et al. Dietary fibre intake and risks of cancers of the colon and rectum in the European prospective investigation into cancer and nutrition (EPIC). PLoS One. 2012;7(6):e39361.

Schulze-Lohmann P. Ballaststoffe: Grundlagen – präventives Potenzial – Empfehlungen für die Lebensmittelauswahl. Ernährungs Umschau 2012; 7: 408-417

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