Alles Zucker...? Sind Agavendicksaft und Co. tatsächlich die gesünderen Alternativen?

Christina Ehrhardt • 21. Februar 2019

Neulich erzählte eine Freundin mir ganz stolz, dass sie jetzt auf zugesetzten Zucker verzichtet und nur noch Agavendicksaft zum Süßen verwendet. Und ich glaube, da ist sie wohl nicht die Einzige. Denn wenn ich mir die Regale in den Supermärkten und Drogerien anschaue, werde ich das Gefühl nicht los, dass ständig neue natürliche, vermeindlich gesündere, Zuckeralternativen auf den Markt drängen. "Milde Süße aus der Agave" oder "natürliche Süße aus Honig", so heißt es dann verlockend... Doch sind Reissirup, Agavendicksaft und Kokosblütenzucker tatsächlich eine gute Option? Und warum werden sie häufig gar nicht mit Zucker in Verbindung gebracht? Diese Fragen habe ich mir schon häufig gestellt und so war ich froh, dass sich eine Kollegin in der neusten Ernährungs Umschau mit genau diesem Thema beschäftigte. Damit der Inhalt nicht nur der Fachwelt vorbehalten bleibt, möchte ich die wichtigsten "Aha-Momente" heute mit Euch teilen...

#zuckerbleibtzucker

Mythos 1: "Mit natürlich süßenden Lebensmitteln muss ich nicht so sparsam umgehen wie mit Zucker, sie sind ja gesünder."
Also, eins ist schonmal klar: Zucker - egal aus welcher Pflanze, ob kristallisiert oder sirupartig - hat mit 4 kcal pro Gramm recht viel Energie und sollte nur in Maßen verzehrt werden. Denn wie wir wissen, fördert eine hohe und häufige Zuckerzufuhr nicht nur die Entstehung von Zahnkaries, sondern trägt auch eine Mitschuld an Übergewicht, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht sich daher für eine maximale Zufuhr freier Zucker von weniger als 10 % der Gesamtenergiezufuhr aus. Das sind bei 2 000 kcal pro Tag maximal 50 g und diese sind manchmal schneller erreicht, als man denkt. Denn zu den freien Zuckern werden alle Einfach- und Zweifachzucker (z.B. Glucose=Traubenzucker, Fructose=Fruchtzucker, Saccharose=Haushaltszucker) gerechnet, die Hersteller oder wir selbst den Lebensmitteln zum Süßen zusetzen. Außerdem noch die Zucker, dienatürlicherweise in Honig, Sirup, Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten vorkommen.
Hier ein paar Beispiele, aus welchen Zuckern Agavendicksaft und Co. bestehen:

  • Honig: Saccharose, Glucose und Fructose (also Hausshaltzucker, Traubenzucker und Fruchtzucker)
  • Ahornsirup: > 95% Saccharose und ein kleiner Anteil Fructose und Glucose
  • Agavendicksaft: ca. 90% Fructose und rund 10% Glucose, Spuren von Saccharose
  • Reissirup: eine Mischung aus Maltose, Oligosacchriden (Mehrfachzucker) und Glucose

Also solltet Ihr auch mit süßenden Lebensmitteln sparsam umgehen. Wenn Ihr unsicher seid, wie hoch der Zuckergehalt Eures Lieblingsriegels mit Agavendicksaft oder des Honigmüslis ist, lohnt sich immer ein Blick auf den Nährwerttabelle. Hier erfahrt Ihr, wie viel Zucker - egal aus welcher Quelle - insgesamt enthalten ist, da alle Ein- und Zweifachzucker zusammengefasst berechnet werden. Die Zutatenliste ist dagegen meist wenig hilfreich, da hier der Begriff Zucker oft nicht auftaucht, sondern die Zuckerart (z.B. Honig, Ahornsirup) oder der Fachbegriff (z.B. Glucose-Fructose-Sirup, Saccharose) gelistet wird.

#Daistdochnochmehrdrin

Mythos 2: "Natürliche süßende Lebensmittel versorgen uns mit wichtigen Vitaminen und Mineralien."

Okay, die hippen "natürlichen Zuckeralternativen" bestehen also auch zum Großteil aus "gewöhnlichen" Ein-und Zweifachzuckern. Aber sie sollen ja noch andere Stoffe wie Mineralstoffe, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten.
In der Tat sind in den verschiedenen süßenden Lebensmitteln kleine Mengen verschiedener gesunder Mikronährstoffe oder Polyphenole zu finden. Außerdem ist der Kaloriengehalt der flüssigen Versionen (Honig, Ahornsirup, Obstdicksäfte etc.) pro 100g Produkt wegen des Wassergehaltes etwas geringer als von weißem Zucker. Da die Mengen, die wir zum Süßen einsetzen jedoch gering sind bzw. gering sein sollten, tragen die enthaltenen Vitamine und Mineralstoffe nur marginal zur Bedarfdeckung bei und sind zu vernachlässigen. Ob wir durch den Einsatz von Sirup Kalorien einsparen, ist auch nicht belegt, zumal die Süßkraft von Sirup teilweise geringer ist als die von Haushaltszucker und so die Versuchung besteht, mehr davon zu verwenden.

#GlykämischerIndex

Mythos 3: "Süßende Lebensmittel lassen den Blutzuckerspiegel nicht so stark ansteigen wie weißer Zucker."

Jein. Der glykämische Index (GI) süßender Lebensmittel, der die Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel beschreibt, ist sehr unterschiedlich. Saccharose (Haushaltszucker) hat einen GI von 65 und liegt damit im mittleren Bereich, ebenso Rohrohrzucker (GI: ca. 65) und Honig (GI: 61). Ahornsirup (GI: 54) und Kokosblütenzucker (GI: 54) liegen knapp darunter.
Reissirup hingegen hat mit einem Wert von 98 fast einen genauso hohen GI wie der "Spitzenreiter" Traubenzucker (GI:103), d.h. er lässt den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen. Bei Agavendicksaft ist dies nicht der Fall, denn aufgrund seines hohen Fruchtzucker (Fructose) anteils weist er nur einen GI von 19 auf. Dies heißt jedoch nicht, dass ein vermehrter Verzehr von Agavensirup empfehlenswert ist, denn auch Fructose fördert die Entstehung von Karies und eine hohe Zufuhr über längere Zeit kann ebenfalls gesundheitliche Risiken birgen. Studien zeigen unter anderem eine eindeutige Zunahme des Leberfettes bei übermäßigem Konsum freier Fructose.

#Nachhaltigkeit

Ökologisch gesehen liegt der Haushaltszucker aus heimischen Zuckerrüben vorne. Denn die Zuckerrübe wird neben der Zuckerherstellung fast vollständig genutzt (z.B. Futtermittel, Melasseherstellung) und benötigt zum Wachstum weniger Wasser als das Zuckerrohr. Darüber hinaus entfallen lange Transportwege wie sie bei Zuckerrohr (meist aus Übersee), Ahornsirup (v.a. Kanada), Agavendicksaft (v.a.Mexiko) und Kokosblütenzucker (v.a. Philippinen) anfallen. Wenn Ihr flüssige Süßungsvarianten bevorzugt, können Apfel-und Birnendicksaft ökologisch wertvolle Alternativen sein, da sie weniger weite Wege zurücklegen.
Grundsätzlich bevorzuge ich Produkte aus ökologischem Anbau und erfreulicherweise gibt es die süßenden alternativen Lebensmittel häufig in Bioqualität. Allerdings ändert dies nichts an den langen Transportwegen vieler Produkte.

Was heißt das also für den Alltag?

Es gibt keine klaren Belege dafür, das alternative, natürlich süßende Lebensmittel gesundheitliche Vorteile gegenüber Haushaltszucker haben. Allerdings eröffnen sie uns durch ihre karamellig, malzig oder nussigen Aromen spannende Geschmacksvariationen. Bitte vergesst aber beim Genießen nicht, dass auch natürlich süßende Lebensmittel -genau wie weißer Zucker - nur in Maßen eingesetzt werden sollten, und zwar nicht nur aus gesundheitlichen Gründen (#Nachhaltigkeit)!

Kleines Zucker 1:1: Mono- und Disaccharide

Einfachzucker (Monosaccharide) bestehen aus einem Zuckermolekül. Sie können bei der Verdauung direkt ohne Zerlegung ins Blut aufgenommen werden. Dazu gehören Glucose (Traubenzucker) und Fructose (Fruchtzucker).
Zweifachzucker (Disaccharide) setzen sich aus zwei Zuckermolekülen zusammen, die bei der Verdauung in ihre Einzelbestandteile aufgespalten und dann aufgenommen werden.
Die wichtigsten sind Saccharose (Haushaltszucker, besteht aus Glucose+Fructose), Lactose (Milchzucker, besteht aus Glucose und Galactose) und Maltose (Malzzucker, besteht aus 2 Glucosemolekülen).

Referenzen:
Knies JA. Ernährungsumschau 2/2019: M88ff


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